Pro, pro, pro und kontra: Warum Jauchs Talkrunde zur Gleichstellung der Homo-Ehe fehlschlug

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 4. März 2013

Gestern Abend lief auf ARD die wöchentliche Diskussionsrunde mit Günther Jauch - Thema: Sollen eingetragene Lebenspartnerschaften Kinder adoptieren können und auch im Steuerrecht gleichgestellt werden? Anlass der Diskussion war das vor wenigen Tagen erlassene Gesetz, dass ein Partner eines gleichgeschlechtlichen Paares das zuvor bereits adoptierte Kind des anderen nun ebenfalls adoptieren kann. Als Paar dürfen Homosexuelle aber nach wie vor keine Kinder adoptieren - stattdessen muss jeder Partner das Kind separat adoptieren. Auch das einen Steuervorteil bringende „Ehegattensplitting“ ist derzeit für Homosexuelle, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, nicht möglich. Das sind sie, die beiden Unterschiede, die zwischen eingetragenen Lebenspartnerschaften und einer traditionellen Ehe noch bestehen. Aber natürlich ging es unter Jauchs Gästen in erster Linie um die Frage: Sind Homo-Ehen wirklich gleichberechtigt? Und wenn nein: Sollte man das überhaupt ändern?

Jauchs Talk brachte keinen Aha-Effekt mit sich. Den erwartet man zwar auch nicht zwingend in einer Runde, die aus Politikern und Akademikern besteht, aber zumindest einen neuen Aspekt hätte man sich von der Diskussion dann doch wünschen können. Dazu konnte es aber nicht kommen, weil der ARD arg einseitige Gäste geladen hatte: Da war der ehemalige Bürgermeister von Bremen, Henning Scherf, 74 Jahre alt, SPD-Mann und Vater einer lesbischen Tochter, die mit deren Frau und einem befreundeten schwulen Pärchen mittels künstlicher Befruchtung ein nicht ganz einfaches Familienbild inklusive natürlich gezeugtem Nachwuchs abgibt. Daneben sitzt ein seit 20 Jahren in einer Partnerschaft lebender und seit 10 Jahren verheirateter Familienvater, dessen zwei in den USA adoptierte Kinder zwei Väter haben. Hinzu kommt der einzige bisher geoutete Bundestagsabgeordnete der Union und ein als konservativ vorgestellter, aber dann in der Diskussion schnell zur Randfigur verkommener Journalist, der der Diskussion praktisch nichts beisteuerte. Und dann ist da noch Katherina Reiche, Familienpolitikerin der CDU, die diplomatisch-neutral versucht, ihren konservativen Standpunkt greifbar zu machen: Diskriminiert werden soll keiner, aber das Grundgesetz sieht nun mal vor, dass...

Reiche kämpfte auf verlorenem Posten: Wer aus der Runde sie ernst nahm, konnte aus ihr doch immer wieder nur das Argument entlocken, dass der Staat es eben vorsehe, dass Kinder geschützt werden müssen und sie ja mit ihrem „wertgebundenen“ Ansatz drei Viertel der Deutschen vertrete - und dass eine Gesellschaft nur überleben könne, wenn Mann und Frau Kinder zeugen. Banale Erkenntnisse sind das, allerdings sperrte sich die 39-Jährige vor der Einsicht, die Stefan Kaufmann, ihr schwuler Parteikollege ihr aufzuzeigen versuchte: Gleichgestellte Ehen zwischen Homosexuellen gefährden weder Deutschlands Nachwuchs, noch die Gesellschaft, noch irgendetwas anderes - abgesehen von antiquierten Ansichten, die durch die von Reiche gern zitierte Verfassung geschützt werden; eben jener Verfassung, die 30 Jahre verfasst wurde, bevor Homosexualität in Deutschland nicht mehr als Straftat galt.

Jauchs Talkrunde hätte sicherlich viel gewonnen, wenn man statt der vier gegen eine Diskussion zumindest einen zweiten Gast eingeladen hätte, der konservative Ansichten eloquenter vertreten hätte können, als Reiche. Stattdessen wurde eine unpopuläre Meinung der Bloßstellung preisgegeben. Das mag dem liberalen Durchschnittsdeutschen gefallen, zu einem ausgewogenen Gespräch trägt es jedoch nicht bei - denn so unpopulär und altbacken die Ansichten Reiches auch sein mögen, sie sind nicht so abwegig, dass man sie einfach wegwischen könnte: Natürlich sollte man die Familie schützen, damit Kinder behütet aufwachsen. Aber spielt dabei die sexuelle Vorliebe der Erziehungsberechtigten eine so wesentliche Rolle, dass man einen Unterschied machen müsste?

Eigentlich war die Diskussion von Vornherein zum Scheitern verurteilt, denn jeder Zuschauer hatte zum Thema von Beginn an eine klare Meinung - die meisten sind für eine Gleichstellung, 70 % um genau zu sein und die anderen sind eben einfach dagegen. Zu einem so alten Thema neue Gesichtspunkte zu gewinnen, ist ohne neue Studien fast ausgeschlossen - besonders, wenn der einzige Konterpart der Sendung in einer konservativen Unionspolitikerin besteht, die immer wieder nur ein Argument anführen kann.