Letzte Liebe in Paris: Sir Michael Caine in "Mr Morgan's Last Love"

von Portrait von Juliane Hexelschneider Juliane Hexelschneider
Veröffentlicht am 25. September 2013

Im Flur von Mr Morgans Pariser Apartment türmen sich drei unterschiedlich hohe Stapel mit Zeitungen. Er beginnt seinen Tag, kurz nach dem Aufstehen, indem er die Wohnungstür öffnet, die neue Zeitung vom Boden aufhebt und sie dann ungelesen auf einen der Stapel fallen lässt. Denn Matthew Morgan hat jegliches Interesse an seiner Umwelt verloren. Vor drei Jahren ist seine Frau, seine große Liebe, gestorben und Matthew lebt seitdem antriebslos in den Tag hinein.

Im Grunde ist damit die Handlung von "Mr Morgan's Last Love" schon fast erzählt. Die Welt von Amerikaner Matthew ist seit dem Tod seiner Frau zum Stillstand gekommen. Erst die zufällige Begegnung mit der jungen Pauline, Pariserin durch und durch, holt ihn aus seiner Einsamkeit zurück. Pauline, die ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat, ist genauso einsam wie Matthew. Die beiden beginnen sich regelmäßig zu treffen, eine zarte Beziehung irgendwo zwischen Freundschaft und Wahlverwandtschaft. Doch auch Pauline kann Matthew nicht davon abhalten einen eher halbherzigen Selbstmordversuch zu begehen. Als dieser Matthews Kinder auf den Plan ruft wird schnell klar, dass Mr Morgans Leben weitaus komplizierter ist als es auf den ersten Blick scheint.

Erinnert an Michael Hanekes "Liebe"

Es ist schwierig die Handlung des Films als solche zu bezeichnen, denn viel passiert in "Mr Morgan's Last Love" nicht. Der Film bedient sich vieler bekannter Versatzstücke, vom Amerikaner der kein Französisch spricht, über die lebensfrohe Frau die einem alten Mann wieder Hoffnung gibt, bis hin zu Klischees über das Pariser Alltagsleben. Und auch die traurige Geschichte um Joan Morgans Tod erinnert in ihren Grundzügen an den gänzlich anderen, aber ebenfalls in Paris angesiedelten, Michael Haneke Film „Liebe“. Wirklich originell ist "Mr Morgan's Last Love", der auf dem Buch „Die letzte Liebe des Monsieur Armand“ von Françoise Dorner basiert, also nicht. Doch das muss er auch gar nicht sein.

Denn worin der Film glänzt ist in der Umsetzung. Sandra Nettelbeck ("Helen") inszeniert ein warmes Drama, dass in Herbst-Farben langsam und bedacht seinen Protagonisten folgt und ihre Beziehungen auslotet ohne zwanghaft alles thematisieren zu müssen. So bleiben viele Dinge ungesagt, doch man bemerkt immer das unter der Oberfläche der Protagonisten mehr passiert. Das beste Beispiel ist Matthews Sprachpartnerin Colette, die sich offensichtlich mehr von der Freundschaft mit ihm erhofft. Doch der Film deutet hier nur an und überlässt der Fantasie des Zuschauers den Rest.

Letzte Liebe in Paris: Sir Michael Caine in "Mr Morgan's Last Love"

Es ist gerade diese behutsame Art mit der der Film immer tiefer in Mr Morgans Gefühlswelt eintaucht, die ihn so bemerkenswert macht. Die vielen kleinen Details, wie die Vorliebe des Philosophie-Dozenten Matthew für Cola, Hot Dogs und E.E. Cummings retten den Film davor in traurigen Kitsch abzurutschen.

Schauspielerische Leistung des "Mr Morgan's Last Love" Cast

Hinzu kommt das hervorragende Ensemble, allen voran Sir Michael Caine ("Batman"-Trilogie), der sonst eher in Nebenrollen glänzt und hier sein ganzes Können unter Beweis stellt. Sein Mr Morgan wirkt erst wie ein leicht verwirrter, älterer Mann, doch nach und nach kommen lang angestaute Gefühle zurück an die Oberfläche. Der Kontrast zwischen Matthew Morgan der zu Beginn des Films mit ausdruckslosem Gesicht frühstückt und Matthew Morgan der sich in einer sehr emotionalen Szene im Mittelteil lauthals mit seinem Sohn in einem Pariser Restaurant streitet, zeigen die Bandbreite von Caines Können. Das Clémence Poésy ("Harry Potter") neben ihm nicht blass wirkt, ist ihrem großen Talent geschuldet. Sie macht Pauline zu der treibenden Kraft in Morgans Leben, die alle seine Beziehungen noch einmal in Frage stellt. Abgerundet wird das ganze von Justin Kirk ("Weeds") als trotzigem Sohn und Gillian Anderson ("Akte X") als energetischer Schwester in einer kurzen aber fantastischen Nebenrolle.

Sie alle sorgen dafür, dass "Mr Morgan's Last Love" zwar nicht das Genre neu erfindet, aber ihm dafür alle Ehre macht. Da stört es nicht weiter, dass Matthew manchmal mit seiner verstorbenen Frau redet, die nur er sieht. Es wird Teil des melancholischen Porträts eines Witwers, der seinem Leben noch einmal eine letzte, positive Wendung gibt.