Zu schwul für Hollywood: „Liberace“

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 2. Oktober 2013

Eigentlich wollte Steven Soderbergh nach „Side Effects“ keine weiteren Kinofilme mehr drehen. Hat er auch nicht. In den USA erschien „Behind The Candelabra“ nämlich als Fernsehfilm. Eigentlich als Kinofilm gedacht, konnte Soderbergh kein Studio davon überzeugen, den Film zu machen, weil er von jedem Produzenten als "zu schwul für Hollywood" gehalten wurde. So landete das Drehbuch schließlich beim Fernsehsender HBO. Bei uns heißt der Film „Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll“ und läuft trotzdem im Kino. Der Haken daran: Weil „Liberace“ in den USA nie in einem Kino gezeigt wurde, kann er leider auch nicht für einen Oscar nominiert werden. Stattdessen bekam der Film kürzlich 15 Nominierungen bei den „Fernseh-Oscars“, dem Primetime-Emmy. Gewonnen hat „Liberace“ drei Stück - einen für den besten Film, einen für den besten Regisseur und einen für den besten Hauptdarsteller - den erhielt Michael Douglas. Wäre „Liberace“ ein Kinofilm gewesen, hätte Douglas wahrscheinlich  eine Oscar-Nominierung erhalten. Schauspielerisch noch eindrucksvoller ist jedoch der zweite große Mann im Film: Matt Damon.

Zu schwul für Hollywood: „Liberace“

Wladziu Valentino Liberace ist in Deutschland nicht sonderlich bekannt, vor allem nicht dem jüngeren Publikum, dabei war er eine noch schillerndere Figur als alle Modedesigner und schwulen Popstars zusammen. Zum Beispiel überredete er seinen Partner Scott Thorson dazu, sich das Gesicht durch plastische Chirurgie verändern zu lassen, damit Thorson mehr wie Liberace aussah. Außerdem war er ein Wunderkind, sieben Mal in Folge schnellster Klassikpianist der Welt (6000 Noten in zwei Minuten) und ein äußerst extravaganter Entertainer. Obwohl der 1919 geborene Liberace immer wieder bestritten hatte, schwul zu sein und das schließlich sogar unter Eid aussagte, enthüllte das Buch seines Ex-Liebhabers Scott Thorson (im Film gespielt von Matt Damon) die volle Wahrheit. 1987 starb Liberace an den Folgen von AIDS. Der Film behandelt jene Jahre, die der damals erst 16-Jährige Thorson an der Seite des über 30 Jahre älteren Showmasters verbrachte, bis zum Bruch der sechsjährigen Beziehung 1982.

„Liberace“ ist großartig geschauspielert, prunkvoll ausgestattet, ein kleines Wunder beim Make Up und witzig geschrieben (obwohl der Film keineswegs, wie es der Trailer vermuten lässt, eine Komödie ist). Aber die Darstellung, besonders von Michael Douglas krankt am Bekanntheitsgrad des Schauspielers. Man sieht zwischendurch immer wieder einen geschminkten, schwulen Michael Douglas - und eben nicht Liberace. Auch nachdem der Zustieg zum Film gelungen ist, denn natürlich muss man sich an die Kostüme und die extremen Rollen erst einmal gewöhnen, wird die Illusion imer wieder unfreiwillig gestört, weil der sonst so souveräne Michael Douglas mit augenscheinlichem Hochgenuss die vulgären Dialog-Spitzen des Drehbuches zum Besten gibt. Da kann man noch so ein guter Schauspieler sein - gegen seinen Bekanntheitsgrad, ergo gegen sich selbst, kann man nur schwer anspielen. Dasselbe Problem hatte seinerzeit Sean Penn in „Milk“. Die Lösung wäre gewesen, für die Hauptrolle einen Schauspieler zu besetzen, der nicht so bekannt ist, wie Douglas. Matt Damon dagegen, dessen Rolle nicht ganz so extrem ist, hat sich sehr gut geschlagen - seine Darbietung wirkt deshalb noch professioneller. Da findet man es wieder schade, dass Oscars für den Film nicht vergeben werden. Und doch spricht auch gegen die Besetzung von Matt Damon etwas ganz Wesentliches: Als Liberace Scott Thorson kennenlernte, war dieser grade einmal 16 Jahre alt. Matt Damon war bei den Dreharbeiten deutlich über 40.

„Liberace“ ist auf jeden Fall sehenswert, bietet viel Humor und viel Drama, ist aber nichts für Homophobiker und heißt Michael Douglas nach seiner Krebs-Erkrankung wieder auf der großen Leinwand gebührend willkommen. Am 3. Oktober startet „Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll“ in den deutschen Kinos.

Wer sich nach dem Kinobesuch übrigens fragt, wie Michael Douglas so schnell Klavier spielen konnte: Er war es nicht selbst, obwohl es so aussieht. Per Computer wurde Douglas' Gesicht auf das des Körpers von Philip Fortenberry übertragen, der jahrelang das Liberace-Double im Liberace-Museum in Las Vegas war. Michael Douglas kann nicht Klavier spielen.