Filmkritik: „Django Unchained“ beendet Tarantinos Höhenflug

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 17. Januar 2013

Quentin Tarantino hat es versaut.

Mit „Inglourious Basterds“ hatte er sich unser Vertrauen verdient - viele dachten, der große Zyniker des amerikanischen Kinos würde mit seinem Kriegsfilm einen Schuss in den Ofen inszenieren. Aber so war es nicht. „Inglourious Basterds“ war sein neues Meisterwerk, ein weiteres Opus Magnum. Wer den Trailer zu „Django Unchained“ gesehen hat, wird ebenfalls skeptisch gewesen sein. So richtig schien es nicht Tarantino zu sein und Jamie Foxx wirkte auch etwas fehlbesetzt. Die Befürchtungen sind dieses Mal jedoch wahr geworden. „Django Unchained“ ist ein recht magerer Film, der durch den famosen Ruf seines Geistesvaters aufgeblasen wurde. An dem Südstaten-Epos ist einiges unausgereift und vieles wirkt so, als hätte Tarantino gar nicht wirklich Lust gehabt, diesen Film zu machen. Und doch kann man keinem anderen Regisseur diesen Film unterjubeln. Der Trick ist, vorher zu wissen, dass „Django Unchained“ kein typischer Tarantino ist. Wer sich auf den Kinogang vorbereiten möchte, sollte folgende fünf Fragen vorher beantwortet wissen:

1. Ist der Film ein Remake von „Django“ aus dem Jahr 1966?

Nein, in keinster Weise. Abgesehen vom Namen der Hauptfigur, dem Titelsong und einem Kurzauftritt von Franco Nero, der Django im Original spielte, hat „Django Unchained“ nicht das Geringste mit „Django“ zu tun. Das ist sehr schade, denn wer das Original gesehen hat, weiß, wie tarantinoesk es ist. Ein Outlaw, der in eine fremde Stadt kommt und einen Sarg hinter sich herschleift, eine Schießerei mit gebrochenen Händen auf einem Friedhof, „Django“ schrie förmlich nach einem Remake durch des Meisters Hand. Leider kam es anders.

2. Nutzt „Django Unchained“ sein Potenzial aus?

Nein. Der coole Showdown des Films ist mit völlig fehlplatzierter Musik untermalt (siehe Frage 3) und 30 Minuten vor Ende des Films. Warum, weiß niemand. Wer auf einen zweiten, cooleren Showdown hofft, weil der erst enttäuschend war, sollte sich von dieser Hoffnung lösen. Dabei wäre eine tolle Schießerei auf einem Friedhof (siehe Frage 1) sicherlich eine fantastische Szene geworden! Auch der im Trailer angedeutete Sklavenaufstand bleibt leider Phantasie. Was Django eigentlich an seiner Frau findet, die den ganzen Film über kaum etwas anderes tut, als unsinnig zu kreischen, bleibt auch offen. Eine würdige „Brunhilde“ ist sie jedenfalls nicht.

3. Hat „Django Unchained“ den üblichen Tarantino-Soundtrack?

Nein, Tarantino zog es vor, seine bisher immer brillant gewählten Musikstücke durch eine willkürliche Querbeetmischung zu ersetzen, die mal mehr mal weniger fehl am Platz wirkt, aber (bis auf den Original-Introsong) immer enttäuscht. Rap-Musik in einem Western mag innovativ sein - das heißt aber nicht, dass es eine gute Idee ist. Schon gar nicht, wenn man einen an sich großartigen Shoot-Out (siehe Frage 4) damit untermalt.

4. Hat „Django Unchained“ den tarantinoesken, großen Showdown?

Nein, der Showdown ist zu klein geraten und mit viel weniger Leidenschaft umgesetzt, als bspw. in „Kill Bill Vol. 2“ oder „Death Proof“. Dummerweise hätte man das ganz einfach verhindern können, indem man nicht schon einen großen Teil des Casts einem verfrühten Shoot-Out geopfert hätte, der eigentlich das große Finale hätte sein können - es gibt viel Slow Motion, die typische Tarantino-Ästhetik und verdammt viel Blut. Und wer sein Pulver schon 30 Minuten vor dem Abspann verschossen hat, dem bleibt nicht mehr viel für das Finale. „Django Unchained“ hat einen der ödesten Showdowns in Tarantinos bisherigem Werk.

5. Ich habe gehört, dass Jonah Hill im Film mitspielt. Ist das wieder eine ernste Oscar-Rolle wie in „Moneyball“?

Nein, der Auftritt Jonah Hills ist der absolute Tiefpunkt von „Django Unchained“. Nach einer epischen Szene, die (wieder untypisch) mit Verdis „Requiem“ unterlegt wurde, nimmt Tarantino der Szene direkt danach die gesamte Kraft, indem er die Reiter in einer lächerlichen Diskussion um ihre Masken zeigt. Es ist der Höhepunkt des ersten Aktes, der sich vor allem durch etwas auszeichnet, das so gar nicht zu Tarantino passen will: Komödiantisches Herumgealber, das die Grenze zum Slapstick touchiert. Die erste Dreiviertelstunde ist am schwierigsten zu überstehen - Christoph Waltz's Figur ist wahrscheinlich als Possenreißer gestaltet, damit er keine stumpfe Kopie von Hans Landa wird, aber im Ganzen wirkt die Figur einfach viel zu übertrieben. Glücklicherweise verlässt „Django Unchained“ im Laufe des zweiten Aktes die Klamauk-Schiene.

Wer die bisherigen Filme von Quentin Tarantino kennt und einen ähnlich tollen Film erwartet, wird enttäuscht werden. Von den plumpen Anspielungen wie dem „Befreier“ Dr. King Schulz (mit Dr. Martin Luther King Gedächtnisnamen) und der Ähnlichkeit von Calvin Candies Folter-Anwesen mit dem Tor von Auschwitz einmal abgesehen, ist „Django Unchained“ auch über einige Plotholes gestolpert. So hätten Schultz und Django dessen Frau auch einfach freikaufen können, statt dem Antagonisten mit einem fragwürdigen Plan eine Falle zu stellen. Verwirrend sind auch die vielen völlig überflüssigen Nebenfiguren, die mit Dialog oder auffälligen Aufnahmen bedacht werden, dann aber nur Zierde sind.

Immerhin - es ist nicht alles schlecht an „Django Unchained“. Da ist Samuel L. Jackson, ein blutiger Shoot-Out (wenn auch mit beschämender Musikbegleitung), viele kleine Seitenhiebe und einige sehr schöne Dialoge, wie wir sie uns wünschen. Wer genau hinsieht, erkennt in Cameos nicht nur Tom Savini, Michael Parks und James Remar in einer Doppelrolle, sondern auch Zoë Bell, „Bills“ Bruder Robert Carradine und natürlich Tarantino selbst, der seiner Figur ein witziges Ende verpasste. Wer nach dem, im Verhältnis zum Film, sehr kurz geratenen Abspann noch im Kino sitzt, kann sich an einer kleinen Szene erfreuen, in der noch ein weiteres Mal das so oft kritisierte „N-Wort“ vorkommt.

Fazit: „Django Unchained“ ist paradoxerweise nichts für echte Fans, sondern nur etwas für solche, die gern einen standard-coolen Film sehen wollen. An und für sich schlecht ist der „Southern“ nicht; den Vergleich mit anderen Tarantino-Werken hat „Django Unchained“ trotzdem nur bedingt verdient. Wer einen typischen Tarantino erwartet, wird (bitter) enttäuscht.

Kinostart ist am 17. Januar 2013.

Filmkritik: „Django Unchained“ beendet Tarantinos Höhenflug