Talkrunde bei Anne Will: Ist Altersarmut ein ernstes Problem?

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 25. April 2013

Das Talkthema „Angst vor Altersarmut - Panikmache oder bittere Wahrheit“ bei Anne Will artete stellenweise nur zu gern in eine Werbekampagne für die Linke, bzw. die FDP aus. Grund dafür: Neben drei Akteuren, die zur Rentendiskussion nicht viel beizusteuern hatten, waren genau zwei Politiker anwesend - Gregor Gysi und Otto Fricke, die einen Teil der 75 Minuten Sendezeit damit verbrachten, Wahlversprechen zu äußern. Das war natürlich abzusehen, hätte sich vielleicht aber verhindern lassen, wenn mehr Leute vor Ort gewesen wären, die einen Bezug zum Thema haben. Denn die fünf Plätze in der Runde unter anderem an eine Rentnerin zu verschwenden, die mit Allgemeinplätzen wie „Die Politiker lügen uns alle an!“ aufwartet und auch sonst nur kleinkarierte Polemik von sich gibt, kann nicht Sinn einer qualifizierten Talkrunde sein. Immerhin hatten die zwei verbleibenden Gäste, eine Unternehmerin, die sich Aufopferungsbereitschaft auf die Fahnen geschrieben hat, und ein Unternehmer, der Zeitarbeit verteidigt und Altersarmut leugnet) klare Standpunkte, die sie gern als Beispiele aus dem lebensnahen Nähkästchen preisgaben.

Erst gegen Mitte der Sendung, nachdem es diverse Exkurse hin zum Bildungssystem, Lohngefälle Ost-West und Steuerrecht gab, kam dann der entscheidende Satz auf den Tisch: Altersarmut betrifft nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung. Zwar auch, weil viele Rentner nicht zum Sozialamt gehen und sich lieber einen Nebenjob suchen, aber prinzipiell, da musste dann auch Gregor Gysi zustimmen, ist Altersarmut heute (noch) kein großes Problem. „Aber es wird eines werden.“, schob der Linke-Politiker dann hinterher, aber trotzdem war der Diskussion danach ein wenig die Luft ausgegangen. Von Schweizer Rentenmodellen war da die Rede (wo jeder, auch Großverdiener, Beamte und Selbstständige) einzahlt und vom Generationenvertrag, aber im Ganzen blieb die Diskussion ein Szenario - das natürlich dennoch von Gysi, einem Mann klarer Worte, und FDP-Mann Fricke, der sich einer gewissen Unnahbarkeit nicht entledigen konnte, leidenschaftlich geführt wurde.

Immerhin machte die Diskussion einiges klar: Erstens ist private Altersvorsorge heute ein Muss, weil die betriebliche Vorsorge, geschweige denn die Rente nicht ausreicht. Zweitens sind die Renten keinesfalls sicher, wie Nobert Blüm einst behauptete. Drittens wird durch die umgekehrte Alterspyramide die staatliche Rente (zumindest in der jetzigen Form) schnell zum Auslaufmodell werden - was auch viele Jugendliche heute schon demotiviert („Ich kriege sowieso nichts davon.“) und viertens gehört eine anscheinend willkürlich ausgeloste Rentnerin, die keine Ahnung vom Thema und nur 33 Jahre gearbeitet hat (und sich dann über ihre kleine Rente wundert), nicht in eine ertragreiche Talkrunde.

Wer die Sendung verpasst hat, kann sie sich in der ARD-Mediathek ansehen.