Die Psyche und die Jugend - wieso Herzog immer kämpfen musste

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 5. September 2012

Wenn jemand sagt „Werner Herzog“, dann klingelt was - ein großes Glöckchen, das im Dunkeln hängt, hinter einer verschlossenen Tür. Denn ein Bild von Werner Herzog hat fast niemand im Kopf, auf der Straße erkennt ihn kaum jemand. Schon gar nicht in Los Angeles, wo er inzwischen lebt. Es ist ein großer, ein gewaltiger Name, jeder hat ihn schon mal gehört und auch seine Filme sind Meilensteine, die zumindest früher jeder gesehen hat. „Gemeinsam mit gleichgesinnten Autorenfilmern kristallisierte sich Werner Herzog neben Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Volker Schlöndorff als einer der wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films heraus, die sich vor allem von Heimatfilmen, Karl-May-Abenteuern sowie der Flut an Edgar-Wallace-Adaptionen distanzierten“, schreibt moviepilot und feiert Herzog als Ausnahmeregisseur und Multitalent. „Im Umfeld des eher verkopften Autorenfilms der 60er bis 80er Jahre war Herzog der Bild-Visionär“, lobt die Badische Zeitung den Münchener. Bei aller Euphorie hat Herzog trotzdem ein Problem - er muss in Deutschland um Kinostarts kämpfen, bei der Generation unter 30 ist er eher Gerücht denn ein reales Genie, eine Figur im Nebel, die jeder kennt, aber keiner je gesehen hat.

Wer ist eigentlich dieser Werner Herzog?

Herzogs wichtige Filme, „Fitzcarraldo“, „Aguirre, der Zorn Gottes“ und auch sein „Nosferatu“-Remake laufen nur selten im Fernsehen und sind auch bei der jüngeren Generation keineswegs präsent. Gesehen hat man vielleicht grade noch „Bad Lieutenant“ - weil da Nicolas Cage mitspielte, aber das war es dann auch mit Werner Herzogs Einschlag in die Sehgewohnheiten der Post-70er. Dabei sind seine Filme grade das, wonach alle dürsten - menschliche Abgründe, Psycho, Wahn und verdrehtes Heldentum; kommerzieller als die Wahnfantasien des frühen Polanski, aber nicht so schlicht, dass man einfachen Zugang hat. Inzwischen sind die Stoffe, für die Herzog bekannt wurde, nicht mehr innovativ. Das macht sie nicht schlechter, verhindert aber den Zugang beim jungen Publikum. Fernab dessen, was man heutzutage „Mainstream“ nennt, bewegen sich auch Herzogs Dokumentationen, etwa über den Grizzlyforscher Timothy Treadwell, der 2003 von den Bären verschlungen wurde, denen er, wie er glaubte, sein Leben verdankte, oder seine Aufnahmen in einer erst vor wenigen Jahren entdeckten Höhle, die 30.000 Jahre alte Malereien beherbergt. Filmisch festgehalten hatte diese Malereien noch niemand. Und genau da zeigt sich auch der Abenteurer. Mit dem Extrem-Choleriker Klaus Kinski reiste er durch den tiefsten Dschungel und konnte in der insgesamt fünften Zusammenarbeit „Cobra Verde“ nur knapp verhindern, dass die Dreharbeiten abgebrochen werden, nachdem Kinski Herzog wiederholt wüst beschimpfte und versucht hat, die Regie selbst zu übernehmen.

Heute wird Herzog 70 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht; sein nächster Film steckt schon in der Produktion. „Queen Of The Desert“ wird die Biografie der britischen Forscherin und politischen Beraterin Gertrude Bell. Vor der Kamera stehen Naomi Watts als Bell und Robert Pattinson als Thomas Edward Lawrence, der als Lawrence von Arabien bekannt wurde. Der Kinostart - falls es einen gibt - wird voraussichtlich Mitte 2013 sein.